Mittwoch, 11. Januar 2012

Innovation vs. Nachhaltigkeit in der IT

Früher wurden in gut geführten Unternehmen ethische Werte implizit beachtet. Das scheint heute nicht mehr zu genügen, sondern man hält es für erforderlich, die Unternehmenswerte explizit zu dokumentieren und allen Mitarbeitern sowie gegebenenfalls der Öffentlichkeit mitzuteilen.

So hat sich ein Unternehmen aus dem Bereich der IT - Dienstleistungen unter anderem den Werten Nachhaltigkeit und Innovation verschrieben. Da stellen sich mir Fragen: Kann Innovation ein Wert aus sich heraus sein? Ist sie nicht bestenfalls ein Mittel zum Zweck, gerne auch zur Verwirklichung echter Werte? Welches Adjektiv beschreibt "Innovation"? Am besten passt wohl "neu". Dies ist nun ein wertfreier Begriff. Manche mögen zwar meinen, etwas sei gut, nur weil es neu ist. Andere behaupten, etwas sei gut, nur weil es alt ist. Beides ist Quatsch.

Nachhaltigkeit hingegen ist durchaus ein Wert. Zumindest in den hochentwickelten und ressourcenfressenden Gesellschaften der westlichen Welt hat man dies erkannt. Auch aus dem aufstrebenden China gibt es zumindest Lippenbekenntnisse. Nachhaltigkeit bedeutet aber Schonung von Ressourcen. Innovation im IT-Bereich bedeutet hingegen den Einsatz immer ressourcenfressenderer Software, welche nur auf immer wieder erneuerter und somit materielle Ressourcen fressender Hardware läuft. Wenn Innovation im IT - Bereich als Wert an sich vorangetrieben wird, bekommen wir eine Welt, in der uns ständig Daten abgesaugt und Datenströme um die Ohren gehauen werden. Nicht zuletzt, um den Konsumenten zu bespassen, seine Aufmerksamkeit und Kritikfähigkeit zu absorbieren und ihm einen "Lifestyle" aufzunötigen, der seinerzeit zu weiterem ressourcenfressenden Konsum drängt.

Es wäre eine Innovation im Sinne von Nachhaltigkeit auch bei der IT denkbar. Das würde aber den Verzicht auf Überflüssiges bedeuten. Wer aber traut sich schon, zu entscheiden, was überflüssig ist. Es gibt ja hierfür noch weitere Kriterien außer der Nachhaltigkeit, zum Beispiel ob jemand seinen nächsten  Karrieresprung auf die erfolgreiche Einführung eines umfangreichen und eindrucksvoll getylten IT - Produkts gründen möchte.

Viele IT - Nutzer verlieren bei ihren Computerspielchen aus dem Blick, dass elektronische Datenverarbeitung, um mal bewusst diesen alten Begriff zu benutzen, immer nur als Mittel zum Zweck taugt, jedoch niemals Selbstzweck ist. Ein Handelshaus z.B. hat die Aufgabe, Ware billig einzukaufen und teuer zu verkaufen. Dem haben sich die eingesetzten Mittel unterzuordnen. Leider geschieht es in großen Häusern, deren Organisation in viele Teilsegmente zerfällt, dass an verschiedenen Stellen Entscheidungsträger sitzen, die meinen, vom von ihnen installierten Stück Software hinge das Wohl und Wehe des ganzen Unternehmens ab. Am Ende sehen sich die Mitarbeiter an der Basis mit einem überbordenden Strom irrelevanter Informationen konfrontiert, aus dem sie die für sie wichtigen mühsam filtern müssen. Die Fülle der Informationssysteme eines Unternehmens läuft auf ein Nullsummenspiel hinaus: Sie erzeugt an einer Stelle so viel Arbeit, wie sie an anderer Stelle einspart. Schlimmstenfalls kostet sie sogar mehr, als sie an Kosten spart.

Also wäre nachhaltige Innovation die Eindämmung des IT - Wildwuchses und die weise Beschränkung auf das wirklich Notwendige. Und die Weisheit, dies zu entscheiden, wäre von der Unternehmensleitung zu verlangen. Dicke Bretter sind zu bohren und manche Konflikte werden sich nicht vermeiden lassen!